Der E 75 ist erstaunlich stark befahren, wir waren von einer einsameren Strecke ausgegangen. Erst hinter Kaamanen wird es ruhiger, dort biegt die Straße 92 Richtung Nordkapp ab. Wir sind immer noch gespannt auf die Tundra, bekommen wieder mal eine Wolke mit Starkregen ab ansonsten ändert sich an der Vegetation nur wenig, die Birken werden niedriger, die Wälder sind ab und zu unterbrochen von Feuchtgebieten mit Wollblumen, die hier oben immer noch blühen und so gelangen wir nach Utsjoki, einer Grenze nach Norwegen. Wir bleiben kurz stehen, besichtigen die Brücke über den Grenzfluss Tenojoki bzw. Tana und entscheiden uns angesichts der frühen Stunde weiter zu fahren. Wenn wir schon mal hier sind, können wir auch zum nördlichsten Punkt der EU fahren, nach Nuorgam. Hier erreichen wir den 70. Breitengrad, das Nordkapp liegt auf dem 71., der nördliche Polarkreis auf dem 66. Breitengrad. Hier gibt es natürlich auch einen Campingplatz, darüber hinaus sind in dem 200 Seelendorf Nuorgam zwei Tankstellen, zwei Supermärkte, zwei Baumärkte, ein Alko und ein Bekleidungsgeschäft angesiedelt. Das zeugt von dem regen Tourismus der Norweger, die hierher gerne zum Einkauf kommen.

Der Campingplatz liegt am Fluss Tenojoki, ist ein bekannter Lachsfluss, hier kann man kleine Boote zum Angeln mieten. Am Ufer sind Holzstühle mit Tischen bereitgestellt, eine Feuerstelle bietet den Mücken Einhalt und man kann die beiden samischen Hütten nutzen, zum Grillen, sich Aufwärmen, auf den Fluss schauen. Ein Campingplatz ohne Sauna kann man sich in Finnland nicht vorstellen, auch wenn man sie stundenweise mieten muss. Die Sanitäranlagen rechtfertigen den hohen Preis, endlich mal wieder ein Platz, auf dem man die Dusche und Toilette nutzen kann. Der Boden ist gekachelt, die Dusche ist mit Fußbodenheizung ausgestattet - zusammen mit dem (vorhergesagten) sonnigen Wetter verlängern wir um eine Nacht. Gegen Mittag reißt die Wolkendecke über Norwegen auf, die sonnigen Abschnitte erreichen bald auch die finnische Seite und wir machen uns auf den Weg zum Fjällgipfel. Wir starten auf der Straße Richtung Pulmankijärvi, nach jeder Kurve eröffnet der Blick einen weiteren Hügel, der zu erglimmen ist. Auf der Seite ist die Scuter-Strecke zu erkennen, markiert durch rote Holzkreuze, auch Hinweise zur Langlaufloipe sind vorhanden. Am Rentiergatter erreichen wir einen Wanderweg durch das Fjäll zum See, da wir die Verpflegung vergessen haben bleiben wir weiter auf der Straße. Am Gipfel, d.h. auf gut 200 Meter Höhe ist der Weg zum See nur noch 1,5 km weit, und es gibt einen Hinweis auf ein „Topographic memorial“. Die aufeinander gestapelten Steine/Felsen sehen nach einem historischen Fund aus - sie stammen aus 2007. Am Topographic memorial (ein großer Felsbrocken mitten im Fjäll mit kleiner schwarzer Tafel) finden wir heraus, dass hier zwischen 1992 und 2007 das Land vermessen wurde und als Abschluss ein Boot aus Steinen gestapelt wurde. Die Tisch-Sitz-Gruppe ist ein von der EU gefördertes Kunstwerk - ob das ein Brexit-Befürworter mal gesehen hat?

Auf dem Weg bergab kommt uns ein Auto mit Anhänger entgegen und ich lästere, dass man doch mit den darauf liegenden Mountainbikes hochfahren müsste und nicht mit dem Auto. Wir werden kurz danach davon überrascht, dass tatsächlich erst die beiden etwa 8-jährigen Söhne, dann der Papa und zum Schluss die etwa 5-jährige Tochter mit den Fahrrädern an uns vorbei ins Tal sausen. Und eine darf mit dem Auto hinterher fahren (und gegebenenfalls aus dem Graben rausholen).

Durch die Nässe wachsen hier unglaublich viele Pilze. Leider kennen wir diese nicht gut genug um selbst zu Sammeln. Was ich bisher nur vom Hörensagen kannte sind Fliegenpilze. Jetzt kann ich diese giftigen Pilze tatsächlich mal in natura bestaunen, direkt auf dem Campingplatz wächst ein Prachtexemplar. Und nachdem ich schon in Sodankylä die Fliegenpilzfamilie nicht fotografiert hatte, lasse ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen.