Ich habe ja noch gar nichts über den Schwedischkurs erzählt. Svenska som andra språk 1, der Kurs, der in der Kommune Sunne nur als Webkurs verfügbar ist. Man stellt einen Antrag, der Zuständige meldet die Interessierten an, die Kommune bezahlt den Kurs für alle Teilnehmenden. Es gibt die Möglichkeiten der Vollzeit (100 %), mit einer Dauer von 5 Wochen, 50 % oder 25 % mit entsprechend längerer Dauer zu wählen. Wir haben die längste Dauer gewählt, zwei Stunden täglich kriegt man auf alle Fälle hin. Die Anmeldedaten und den passenden Link erhält man anschließend an die eigene Mailadresse, über einen Webbrowser anmelden und schon kann es losgehen.
Der Webkurs ist in fünf Teile gegliedert, jeweils mit genauem Endedatum, nach dem jeder Teil abgeschlossen sein muss. Darüber hinaus müssen drei Bücher, insgesamt etwa 800 Seiten gelesen werden. Dazu gibt es Vorschläge auf einigen Folien, von denen aber kein Buch zwingend gelesen werden muss. Ich entschied mich für ein Jugendbuch von Roald Dahl (”Häxorna”, Hexen), einen Krimi von Donna Leon (”Dödlig bekantskap”, Schöner Schein) und einen Roman von einer schwedischen (dachte ich zumindest) Autorin (”Svinalängorna”, gibt es nicht auf Deutsch, die Familie der Autorin ist in den 1970ern von Finnland nach Schweden umgezogen).
An den Start ging es mit sehr viel Enthusiasmus. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuß mit dem ersten Einführungsvideo. So richtig konnte ich mich nicht auf die Worte konzentrieren, die die Mitarbeiterin der Sprachschule an die Teilnehmenden, also mich, richtete. Nach kurzer Zeit beschäftigte sich mein Gehirn ausschließlich mit der Lösung der Frage: hört man die Spülmaschine im Hintergrund, sitzt die Arme in der Teeküche? Oder hat sie das Büro bzw. den Besprechungsraum direkt neben der Toilette erwischt? Leider bleibt dieses Rätsel bis heute ungelöst.
Der Foliensatz für den Kurs ist mit Adobe-Software erstellt, jegliche Möglichkeiten des Druckens wird unterdrückt. Natürlich kann das Abfotografieren des Bildschirms und anschließende Ausdrucken nicht wirklich verhindert werden - die Mühe hätte sich der Hersteller also sparen können. Außer den Folien, auf denen kurz die Lektionen / zu vermittelnden Inhalte erklärt werden, existieren auch einige Folien mit Übungen. Zu den Übungen gibt es keine Lösungen und bei einer Übung habe ich bis heute keine Ahnung, wie es korrekt heißen müsste. Die Anzahl der möglichen Kombinationen war einfach zu hoch und aus dem Lehrinhalt der Folien und des Lehrbuchs konnte ich die Lösung nicht erschließen. Dafür kann man diese Aufgaben jedes Mal aufs Neue lösen so oft man das tun will. Begleitet wird der Kurs von einem fest vorgegebenen Buch. In jedem Kursteil werden die entsprechenden Seiten angegeben, die durchgelesen werden sollen - es geht nicht einfach nur wild durcheinander gesprungen, teilweise werden vorangegangene Grundlagen erst später oder überhaupt nicht vorgegeben. Man sollte also selbständiges Durcharbeiten von Lehrbüchern trainiert haben.
Am Ende jedes Kursteiles steht eine Aufgabe und ein Test. Der Test besteht aus multiple choice Fragen zu Texten, die vorher gelesen werden sollen. Dadurch ist der Test äußerst schnell korrigiert, direkt nach dem Drücken des Ende-Buttons - auch wenn die Antworten auf die Fragen aus meiner Sicht durchaus Interpretations-Spielraum lassen.
Die anschließenden Aufgaben/Aufträge waren überraschend umfangreich - es wäre durchaus vorteilhaft gewesen, wenn vorher darauf aufmerksam gemacht würde, dass man am besten mit dem Auftrag beginnt. Für die Durchführung des gesamten Kapitels gibt es eine feste Zeitspanne, nach der dieses geschlossen wird. Wenn man vorher wüsste, dass die Aufgaben sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, dann käme man nicht kurz vor dem Ende der Zeit ins Rotieren. Auch die Abhängigkeit, dass der Auftrag erst nach dem Test begonnen werden kann, ist für mich in keinster Weise nachvollziehbar.
Die Korrektur der Aufgabe bzw. des Auftrags erfolgt ebenfalls unglaublich schnell. Unser Lehrer fügte unter jeden Teil der Aufgabe einen Standard-Kommentar ein, identische Texte für Heiko und mich, und schickte es damit an uns zurück. Unsere Erwartung, dass die teilweise sehr umfangreichen Texte von ihm korrigiert würden wurde kläglich enttäuscht. Daraus können wir schließen, dass wir in der Lage sind, Texte zu schreiben. Die Qualität der Rechtschreibung und Grammatik spielt offenbar keine Rolle.
Interessant ist auch die Beurteilung. Es gibt eine Bewertungsmatrix, in der in Prosa dargestellt wird, welche Fähigkeiten für welche Note erforderlich sind. Dass wir nach dem ersten Teil des Kurs gerade mal über die schlechteste Note herausgekommen sind fand ich mehr als demotivierend. Daraufhin fragte ich per Mail bei unserem Lehrer nach, wie diese Bewertungsmatrix zu interpretieren sei. Worauf er mir antwortete, dass es eine Bewertungsmatrix gibt, die ich mir durchlesen kann. Falls durch diese Zeilen nicht klar heraus gekommen sein sollte, was ich von diesem Kurs halte: gar nichts, große Zeitverschwendung für mich, viel Geld zum Fenster rausgeschmissen für die Kommune. Allerdings müssen alle, die in Schweden studieren möchten, die insgesamt 3 Kurse durcharbeiten und bestehen. Wir haben das nur aus Interesse an der Sprache gemacht. Weshalb es für mich bei dem ersten Kursteil auch endete. Meine persönliche Meinung: Einmal mit Profis arbeiten! Und das gilt sowohl für die fachliche Ausarbeitung des Kurses (es sind durchaus Fehler in den Folien enthalten) als auch die technische Umsetzung auf dem Webportal. Z.B. war der Test des 1. Teils gerade nicht verfügbar, als wir diesen durchführen mussten und unsere Zeit dafür ablief. Wann der Test wieder verwendet werden konnte, war nicht ganz nachvollziehbar, da der Warnhinweis mehr als zwei Monate auf der Startseite zu lesen war, obwohl der Hinweis schon lange nicht mehr aktuell war. Diese Unzulänglichkeiten des Kurses gepaart mit einem völlig gelangweilten, uninteressierten und demotivierenden (resignierten?) Lehrer führen bei mir zu einer glatten 6, falls ich den Kurs bewerten dürfte.
Kurioses am Rande: es gab einen Aufruf, den Kurs zu beurteilen. Nachdem ich mich dreimal durch die 15 Seiten geklickt und auch immer wieder meine kritischen Kommentare eingeklimpert hatte, die Seite am Ende abstürzte, habe ich auch an dieser Stelle resigniert aufgegeben. Ich hatte die Vermutung, dass alle schlechten Bewertungen aussortiert werden. Bei näherer Überlegung traue ich der IT-Truppe diese einfache Abfrage allerdings nicht zu.
Die letzten Tage des Kurses sind ganz besonders hart, es ist morgens noch dunkel, wenn wir uns auf den Weg machen und der Nachtfrost macht es auch nicht leichter. Wir finden heraus, dass die Standheizung des Autos nur dann aktiviert werden kann, wenn der Tank nicht bis auf die Reserve leer gefahren ist. Nur nicht dumm sterben! Glücklicherweise gibt es ja auch noch die Sitzheizung, da werden nur die Hände am Lenkrad kalt - was Heiko aber nichts ausmacht;-)
Und dann ist es soweit, wir fahren nach Sunne um uns den Prüfungen zu stellen. Am Donnerstag, 26.10. ist die Prüfung für das Leseverständnis. Erst haben wir 60 Minuten Zeit um das Heftchen mit etwa 20 Seiten durchzulesen. Es sind mehrere unterschiedliche Texte, der letzte und komplizierteste handelt von den letzten Tagen der Sophie Scholl. Dann gibt es eine 15 minütige Pause, und anschließend 100 Minuten, um Fragen zu den Texten zu beantworten, u.a. gibt es auch einige Multiple-Choice-Fragen. Es gibt insgesamt 52 Punkte, für die meisten Antworten sind zwei Punkte vorgesehen. Auf dem Weg nach Hause gleichen Heiko und ich unsere Antworten ab - wir können auf alle Fälle nicht beide die volle Punktzahl erhalten…
Am nächsten Tag steht dann das Schreiben im Vordergrund: wir erhalten drei Themen zur Auswahl, eine Kurzgeschichte, einen argumentierenden Text oder einen Brief an die Schuldirektion. Wir bekommen 300 Minuten Zeit, plus 20 Minuten Pause, die wir dazu nutzen herauszufinden, dass der komplette Kurs - außer Mohammad - einen Brief an den Rektor bzw. die Rektorin schreibt. Heiko und ich empfinden es als schwieriger, diesmal nicht am Computer schreiben zu dürfen, wir müssen alle handschriftliche Papiere abgeben. Aber danach ist wenigstens erst mal Wochenende.
Die letzte Prüfung findet dann am Dienstag, 31.10. statt. Laut Lehrer ist das die Prüfung, die uns am besten liegt, das Sprechen. Ehrlicherweise können wir nicht wirklich erkennen, dass das unsere beste Kenntnis sein soll, aber vielleicht will er uns auch nur Mut machen. Wir bekommen alle sechs unterschiedliche Texte, die wir innerhalb von 30 Minuten lesen und verstehen sollen. Dann setzen wir uns alle im Kreis, ich darf als Erste beginnen und lese die (vorgegebene) Zusammenfassung für die anderen vor. Ich empfand den Text als ziemlich kompliziert, ich musste einige Worte nachschlagen und mich ziemlich anstrengen, alles zu verstehen. Mir war nicht klar, wie die anderen den Text verstehen können sollen anhand der kurzen Zusammenfassung, aber gut. Und dann fing die lustige Fragerunde an. Eine Diskussionsfrage war vorgegeben, die ich auch vorlesen durfte, anschließend meine persönliche Meinung dazu kundtun also erst einmal selbst beantworten durfte - und dann alle meine MitstreiterInnen der Reihe nach befragen durfte. Was ich machen soll, wenn ich merke, dass jemand die Frage nicht versteht und auf etwas ganz anderes antwortet, das war vorher nicht vorgegeben worden. Na ja, ich habe offenbar nicht richtig erklärt, worum es ging und habe das noch mal versucht und die Frage anschließend wiederholt. Offenbar ging das in meine Beurteilung schlussendlich nicht ein, in meine Zusammenfassung der Diskussion habe ich den Beitrag unerwähnt gelassen und war unglaublich erleichtert, als es dann endlich vorbei war. Heiko durfte als Zweiter ran, noch vor der Pause. Er konnte es offenbar besser erklären wobei eine eindeutige Stellungnahme schwierig ist, wenn nach Vor- und Nachteilen gefragt wird. Alles in allem haben wir uns gut geschlagen, niemand ist durchgefallen, und am Donnerstag besprach unser Lehrer auch mit den Einzelnen ausführlich die Ergebnisse. Heiko und ich haben beide das Triple-A mit der Gesamtnote A geschafft, das ist doch eine gute Voraussetzung, den nächsten Kurs in Angriff zu nehmen.
Auch wenn wir schon in Deutschland an der VHS angefangen haben schwedisch zu lernen - es ist immer wieder eine Herausforderung sich mit Schweden zu unterhalten. Richtig schwierig ist es mit dem Mobiltelefon zu telefonieren, ganz besonders mit echten Värmländern. Das Värmland liegt an der norwegischen Grenze und der norwegische Einfluss ist überall zu hören und zu spüren. Leider hat das mit der Standardsprache Schwedisch nicht so richtig viel zu tun…
Wir haben uns also auf den Weg gemacht um hier an dem Schwedischkurs für Einwanderer (Svenska för invandare SFI) anzumelden. Die erste Hürde: die Öffnungszeiten sind an der Tür veröffentlicht und gelten eher manchmal. Wir haben fünf Versuche benötigt, bis wir zur richtigen Zeit vor Ort waren. An einigen Tagen ist vormittags an anderen nachmittags geöffnet, zwischen zwei und vier Stunden. Allerdings gibt es da noch Brückentage (klämdagar), Weiterbildungen oder kurzfristige Änderungen von nachmittags auf vormittags. Offenbar ist der Aufwand, das ganze im Internet anzukündigen zu hoch. Auch im Gemeindeblättchen - immer wieder gerne gelesen, alles Wichtige wird dort bekanntgegeben, von den Gottesdiensten über die Speisepläne für den Mittagstisch bis zu Weihnachtsmarkt und Bestellungen für Bio-Lammfleisch - wird über Öffnungszeiten nicht geschrieben. Aber im Juni war es endlich soweit, wir dürfen Schwedisch lernen. Die Einstufung verlief in Form eines kurzen Gesprächs mit den beiden Kursleitern und wir wurden informiert, dass wir entweder in den D-Kurs oder in Svagrund kommen.
Die Aufteilung der Kurse ist landesweit einheitlich geregelt: A-Kurs für Analphabeten, B-Kurs für alle, die schreiben können ohne oder mit niedrigem Schulabschluss im Heimatland, C-Kurs für alle mit Schulabschluss für akademische Ausbildung, D-Kurs für alle mit akademischer Ausbildung. Svagrund kommt dann danach und ist die Basis für die weiteren drei Stufen, die man benötigt, um in Schweden studieren zu können. Woher die Namen Sva grund, Sva 1, Sva 2 und Sva 3 kommen wissen wir nicht so genau, wahrscheinlich die Abkürzung für ”svenska” also schwedisch. Auf Internetseiten liest man immer nur von SAS (svenska som andra språk - Schwedisch als Fremdsprache) aber wir haben uns auch daran gewöhnt. Und der Kurs, mit dem wir begonnen haben, war dann auch svagrund.
Das Heftigste an dem Kurs: er beginnt morgens um 8 Uhr! Bei einer Anfahrtszeit von 40 Minuten ist das mal eine echte Herausforderung. Zum Glück gibt es an einem Tag der Woche Heimarbeit, da fahren wir nicht nach Sunne, da können wir etwas entspannter aufstehen und Schwedisch zu Hause lernen.